Qualität beim Wein – eine Kunst, die man lernen kann
Der Weg zum richtig guten Wein ist für viele Weinliebhaber ein Abenteuer: voller Neugier, Überraschungen – und manchmal auch Enttäuschungen. Wer heute vor einem Weinregal oder Onlineshop steht, wird oft überflutet von Etiketten, Auszeichnungen, Werbeversprechen. Dabei stellt sich immer wieder dieselbe Frage: Wie erkenne ich, ob ein Wein wirklich gut ist – unabhängig von Preis oder Prämierung?
Diese Frage stellen sich auch erfahrene Weinexperten wie Oliver Schmid, der seit über 20 Jahren handwerklich arbeitende Winzer besucht, sowie Weinakademiker und gelernter Winzer Jürgen Seitz. Beide betonen: Qualität zeigt sich nicht am Glanz der Flasche, sondern in der Haltung, mit der ein Wein gemacht wurde.
Dieser Artikel lädt Sie ein, genauer hinzusehen – und herauszufinden, woran man Qualität beim Weinkauf wirklich erkennt. Denn wer sich bewusst entscheidet, erlebt Wein auf einer tieferen Ebene – und unterstützt ganz nebenbei jene Winzerinnen und Winzer, die mit Herz und Hand arbeiten.
So erkennen Sie guten Wein – fachkundig, ehrlich und alltagstauglich
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Herkunft & Philosophie – Weine mit Adresse haben Persönlichkeit
Weine sind wie Briefe aus einer Region: Wer sie versteht, kann Herkunft schmecken.
Achten Sie darauf, ob ein Wein klar angibt, woher er kommt, wer ihn erzeugt hat, und wie gearbeitet wird.
Beispiel: Oliver Schmid schwört auf Weine, die „eine erkennbare Handschrift haben“.
Wenn ein Wein von einem kleinen Weingut stammt, auf dem vielleicht sogar generationsübergreifend gearbeitet wird, ist das oft ein gutes Zeichen.
Dort wird noch im Weinberg entschieden, wie Qualität entsteht – nicht erst im Keller.
Ein Etikett, das transparent über Rebsorte, Lage und Ausbau informiert, spricht ebenfalls für Sorgfalt.
Das Etikett enthält idealerweise die wichtigsten Infos zum Wein und sollte ein Wegweiser für den Kunden sein – z.B. wer ist der Abfüller des Weines?
Wird hier ein landwirtschaftlicher Betrieb klar benannt (Bodegas oder Weingut oder Château oder Azienda Agricola XY…)?
Oder ist hier nur eine kryptische Ansammlung von Abkürzungen und Ziffern zu finden? -
Preis ist kein Qualitätsbeweis – aber ein Indikator für Sorgfalt
Natürlich: Ein Wein für 3,99 € kann kaum die gleiche Tiefe bieten wie ein sorgfältig vinifizierter Lagenwein!
Aber der Umkehrschluss ist genauso gefährlich: Ein hoher Preis allein macht noch keinen guten Wein.
Das Credo von Jürgen Seitz: Worauf es wirklich ankommt, ist das Verhältnis von Preis zu Inhalt.“
Einen ehrlichen Wein, der sein Terroir widerspiegelt, sauber vinifiziert ist und sensorisch ausgewogen schmeckt, kann man bereits ab 8€ aufwärts finden.
Zwischen 10 und 15€ sollte das bereits zwingend so sein und darüber erst recht. -
Prämierungen? Nur ein Puzzlestück von vielen
Medaillen auf Etiketten geben erste Hinweise, sind aber kein Freifahrtschein zur Qualität.
Oft belohnen sie bestimmte Stilrichtungen, nicht unbedingt Charakter oder Herkunft.
Oliver Schmid erklärt: „Ich kenne Winzer, die bewusst auf Prämierungen verzichten, weil sie lieber ihren Weg gehen, statt sich einem Jury-Geschmack zu unterwerfen.“
Ein Wein, der nicht ausgezeichnet wurde, kann dennoch mit Tiefe, Finesse und Individualität überraschen – gerade weil er nicht für den Wettbewerb gemacht wurde, sondern für den Genuss.
Vertrauen Sie lieber Ihrem eigenen Gaumen – oder der Empfehlung eines Weinhändlers, der seine Auswahl nicht nach Marketingetiketten, sondern nach innerer Überzeugung trifft. -
Achten Sie beim Kauf auf Informationen von Ihrem Weinhändler
Wenn Sie Begriffe wie „feinherb“, „elegant“ oder „vollmundig“ lesen, fragen Sie sich: Was genau bedeutet das für meinen Geschmack?
Weine sind oft klar beschrieben – mit Angaben zu:
=> Aromatik (z. B. Zitrus, rote Beeren, Kräuterwürze)
=> Ausbau (z. B. Edelstahl, Holzfass, Barrique)
=> Speiseempfehlung (z. B. passt zu Fisch, Pasta, Wild)
So können Sie sich ein erstes Bild machen, ob der Wein in Ihre kulinarische Welt passt.
Jürgen Seitz empfiehlt: „Schauen Sie, ob ein Wein nicht nur blumig beworben wird, sondern ob auch jemand mit Namen dafür steht.“
Tipp: Sprechen Sie mit Ihrem Weinhändler. Er kennt sein Sortiment und kann Sie beraten. Und Beratung ist der schönste Part bei der Arbeit als Weinhändler. Telefonisch oder vor Ort. -
Natürlichkeit & Handwerk – wenn Wein zur Handschrift wird
Guter Wein ist kein Produkt vom Fließband, sondern ein hochwertiges, handwerklich sorgfältig gemachtes und möglichst delikates Genussmittel.
Gerade heute, wo Kellertechnik fast alles möglich macht, sind Weine, die natürlich und minimalinvasiv entstehen, etwas ganz Besonderes.
Was bedeutet das konkret?
Echte Winzerinnen und Winzer vertrauen auf die Kraft der Natur und greifen nur ein, wenn es wirklich nötig ist.
Von der sorgfältigen Handlese über die spontane Gärung mit Naturhefen bis hin zum Verzicht auf unnötige Schönungsmittel – alles dient dem Ziel, den Charakter des Weins unverfälscht einzufangen.
Oliver Schmid beschreibt es so: „Ein großer Wein ist wie ein gut erzähltes Märchen: ehrlich, vielschichtig und manchmal ein wenig wild – aber niemals aufgesetzt.“
Natürlichkeit bedeutet aber nicht Beliebigkeit. Es braucht Erfahrung, Fingerspitzengefühl – und oft den Mut, den Wein seine eigene Geschichte erzählen zu lassen. -
Vertrauen Sie Ihren Sinnen – nicht nur dem Etikett
Ein Wein muss nicht laut sein, um großartig zu sein.
Gute Weine zeigen sich in ihrer Balance: zwischen Frucht und Säure, zwischen Fülle und Frische, zwischen Struktur und Eleganz.
Oliver Schmid nennt es „den Fluss des Weins“ – wenn ein Wein sich mühelos über den Gaumen bewegt, ohne zu beschweren, und einen feinen, langen Nachklang hinterlässt.
Das ist kein Zufall, sondern Zeichen von Sorgfalt.
Wenn Sie die Möglichkeit haben: Probieren Sie kleine Mengen, tauschen Sie sich mit Freunden aus – und achten Sie auf Ihre persönliche Wahrnehmung.
Vertrauen Sie sich selbst. Wenn Ihnen ein Wein wirklich gut schmeckt, dann ist er gut! -
Persönliche Empfehlungen sind oft der beste Wegweiser
Gute Weinhändler stellen Ihnen nicht nur einen Wein vor, sondern den Menschen dahinter. Das schafft Vertrauen.
Wenn Sie jemanden kennen – sei es ein Sommelier, ein Händler oder ein befreundeter Weinliebhaber –, der seinen Beruf aus Leidenschaft macht, dann fragen Sie ihn.
Die besten Entdeckungen macht man selten allein, sondern im Gespräch, im Austausch, im Genuss.
Bewusst einkaufen – und die richtigen Zeichen erkennen
Wer guten Wein genießen will, braucht keine teuren Etiketten oder glänzende Medaillen. Es geht darum ein Gefühl für Wein zu entwickeln. Das bedeutet:
- Zu erkennen, welcher Wein Ihnen wirklich schmeckt
- und welcher Ihnen nicht schmeckt
- Probieren, probieren, probieren
- und dabei Spaß haben
- Den eigenen Geschmack finden und zu entdecken
- Neues auszuprobieren (Rebsorten, Herkünfte, etc.)
Er braucht eine Offenheit für neue Erfahrungen – und manchmal einfach einen ehrlichen Rat.
Mit jedem bewussten Weinkauf unterstützen Sie Winzerinnen und Winzer, die nicht Masse, sondern Klasse produzieren. Sie fördern Vielfalt, Handwerk und Charakter. Und Sie entdecken Weine, die Sie wirklich berühren – nicht nur geschmacklich, sondern auch menschlich. Denn: Qualität schmeckt man. Wenn man weiß, worauf man achten sollte.
Jürgen Seitz sagt es so: „Interessant sind nicht nur Weine mit einem Ausrufezeichen, sondern auch Weine, die Fragen stellen!“